Xenia Weiss aus der 4 AK bat den Zeitzeugen zum Interview.
Herr Marschall: „Aufgewachsen bin ich in bescheidenen Verhältnissen, der Vater war Schuhmacher, oft aber arbeitslos; die Mutter war Hausfrau.“
1934 – Bürgerkrieg in Österreich – Herr Marschall: „Die Not war so groß, dass die Leute ihre Miete nicht bezahlen konnten. Sie wohnten dann auf freiem Feld in einem Zelt – mit den Kindern.“
1938 – Der deutsche Einmarsch in Österreich – Herr Marschall: „Wir alle glaubten, Hitler wäre ein Lichtblick. Es bekamen alle eine Arbeit. Ich hatte meine Lehrzeit abgeschlossen – und bekam eine Arbeitsstelle. Der Name Österreich verschwand – wir waren die Ostmark und deutsche Staatsbürger. Wir glaubten, es komme eine bessere Zukunft auf uns zu. Aber wir haben uns getäuscht, denn es kam der Krieg. Und jenes Elend, das dann über uns gekommen ist, das könnt ihr euch nicht vorstellen.“
„Ich erlebte auch, dass drei jüdische Mitschüler von einem Tag auf den anderen aus der Berufsschule verschwanden. Und ich erlebte ebenfalls, wie jüdische Mitbürger (Ärzte, Lehrer …) auf niederträchtige Art und Weise gezwungen wurden, die Straßen zu reinigen. Auch wurden von heute auf morgen die jüdischen Geschäfte geschlossen. Wir wussten nicht, was mit den Juden passierte. Wir durften auch nicht ausländische Sender hören, sonst wäre wir gleich in ein KZ gekommen.“ … beeindruckende Erzählungen über diese historischen Ereignisse.
Das Glück von Stalingrad
Der 97-Jährige erzählte weiter in einer beeindruckenden Weise: „Als Zwanzigjähriger musste ich einrücken, das war 1942. Ich wurde an die Front nach Stalingrad geschickt. Ab September 1942 war ich in diesem Hexenkessel. Das erste Problem war der russische Winter, es hatte -20 Grad und wir waren nicht gerüstet für diese Kälte. Wenn ein Kollege gefallen ist, zogen die anderen seine Kleidung an, um gegen diese Kälte gerüstet zu sein. Mit der Zeit war auch die Versorgungslage ein Problem – wir hatten nichts zu essen. In einem Erdloch verbrachte ich mehrere Tage mit vier weiteren Soldaten. Nur in der Nacht konnten wir unsere Behausung verlassen, während des Tages mussten wir damit rechnen, von einem russischen Scharfschützen erschossen zu werden.
Am 9. November 1942 wurde ich durch einen Granatsplitter am rechten Fuß verwundet. Als gläubiger Christ bin ich überzeugt, dass damals Gott seine Hand im Spiel gehabt hat. Ich bin als Verwundeter auf den Hauptverbandsplatz gekommen. Dort wurde auf meinem rechten Fuß eine Schiene angelegt und ich konnte nicht mehr gehen. Man hing mir eine Tafel mit der Aufschrift ‚Liegend transportieren‘ um. Das war meine Lebensrettung. Ich wurde in einem der letzten Züge in einem Sanitätszug aus der Gefahrenzone gebracht. Viele Verwundete, die gehen konnten, wollten einsteigen. Aber diese wurden unter Waffengewalt von Offizieren behindert, den Zug zu besteigen. Das Bett im Zug war so verlaust, dass ich fast gestorben wäre. Ich bekam nämlich Fleckfieber. So war ich ein halbes Jahr im Lazarett im Hinterland und überlebte diese Zeit.“
Dieser direkte persönliche Kontakt mit Herrn Marschall machte die Geschichte für die Schülerinnen und Schüler fassbar und anschaulich. Es war eine besondere und beeindruckende Bildungserfahrung.
(verfasst von Mag. Manfred Harter)
Ein Dankeschön an Herrn Prof. Harter und Xenia Weiss für die Vorbereitung und Durchführung des Interviews.